Иноземцев В. За пределами экономического общества, учебное пособие. Иноземцев В. За пределами экономического общества, учебное пособ. За пределами экономического общества. Постиндустриальные теории и постэкономические тенденции в современном мире
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SchlussbemerkungAls wir dieses Buch mit der Betrachtung der Geschichtstheorien eingeleitet haben, die von europдischen Philosophen ьber lange Jahrhunderte hervorgebracht wurden, wollten wir die Aufmerksamkeit auf zwei дuЯerst wichtige Bestandteile einer jeden Geschichtsdoktrin richten: einerseits die vom Autor ausgewдhlten Tatsachen und anderseits dessen persцnliche methodologische Position, die sich meist aus der Subjektivitдt seines Weltbildes ergibt. Eine derartige Dualitдt ist ein Kennzeichen einer jeden Theorie, aber wдhrend die Naturwissenschaften weiter in der Richtung einer Objektivierung von Kenntnissen vorangekommen sind und sich von unbeweisbaren Schemata distanziert und immer mehr Postulate begrьndet haben, die frьher als unbestritten galten, blieb die Abhдngigkeit der Geschichtskonzeptionen von der fьr ihre Schцpfer zur sozialen Richtschnur gewordenen Weltanschauung ьber Jahrhunderte ohne tiefgreifende Verдnderung. Besondere Aufmerksamkeit sollte man einer dieser subjektiven Eigenarten schenken, die stдndig und unabhдngig von erneuten Versuchen einer abermaligen Interpretation des Fortschritts in Erscheinung tritt. Soziale Theorien unterscheiden sich von den naturwissenschaftlichen nicht nur dadurch, daЯ sich der Forschungsgegenstand fortwдhrend дndert, sondern sie sorgen in hohem MaЯe fьr eine Transformation desselben. Aus diesem Grund treten die subjektiven Zьge der Stellung des Autors in den Gesellschaftswissenschaften in den Vordergrund. Das grцЯte Vorurteil, das in unterschiedlicher Stдrke im Rahmen gleichgьltig welcher Geschichtskonzeption zum Tragen kommt, ist unseres Erachtens, daЯ der Autor seine eingene Zeit als den Wendepunkt im Lauf der Geschichte betrachtet. Es versteht sich, daЯ kein Historiker sich die Entwicklung der Zivilisation als eine Gerade vorstellt; auch kцnnen in der komplizierten und widersprьchlichen Bewegung auf ein Ziel zu immer schicksalhafte Einschnitte verzeichnet werden. Dieser Umstand bringt eine Vielzahl von Problemen mit sich, die nicht nur theoretischer Natur sind, und ist sozusagen der Preis der Mцglichkeit, die engen Grenzen der Konzeptionen eines globalen Kreislaufs zu sprengen, die nicht von dem Vorurteil berьhrt werden, aber zugleich weder den wirklichen Hintergrund der Geschichte noch die meistenGesetzmдЯigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung erklдren kцnnen. Die Theorien eines Augustinus mцgen sich noch so sehr von denen von Marx und die Hegels von denen der Vertreter des Postmodernismus unterscheiden, doch in ihrem Bezug zum "gegenwдrtigen Zeitpunkt" sind sie sich insofern дhnlich, als sie diesem unbedingt eine besondere Bedeutung fьr die Geschichte der Menschheit beimessen. Unter diesem Aspekt ist der Fortschritt wesentlich langsamer als im eigentlichen gedanklichen Erfassen der GesetzmдЯigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung. Ein Vorankommen kann nur fixiert werden, wenn man sich darьber klar wird, inwieweit ein Irrtum durch die Doktrin selbst verursacht wird, ihren Hauptpostulaten widerspricht und wie beharrlich sich die Autoren an besagten Irrtum klammern. Der von Augustinus vertretene Standpunkt, die nach Christi Geburt bis zum Jьngsten Gericht reichende Epoche den vielen vorangegangenen Epochen gegenьberstellen zu kцnnen, die die biblischen Ereignisse in ihrer Chronologie widerspiegeln, war irrtьmlich. Jedoch lag dieser Irrtum in einer Theorie vor, die faktisch die moderne Weltanschauung hervorbrachte; er unterlief kaum vierhundert Jahre nach Beginn einer aktiven Verbreitung des Christentums, wo dieses wirklich als letzter Schritt zur Erlцsung der Menschheit von irdischen Sьnden angesehen wurde. Der Gedanke an die Vergдnglichkeit der "civitas terrestris" drдngte sich dem Autor sicher auf, da er nur wenige Monate vor der Eroberung und Einдscherung seiner Heimatstadt Hippo durch Vandalen verstarb. Von weit grцЯerem AusmaЯ sind derartige Vorurteile in unserer Zeit. Mit der Herausbildung der Grundlagen der modernen Gesellschaft neu entstanden, haben sie eine unerhцrte Verbreitung gefunden. Die Philosophen aller ideologischen Richtungen verschmдhen das Fundament der eigenen Konzeptionen, zerstцren deren innere Logik und vergessen Argumente, die sie selbst eben erst angefьhrt haben, und wetteifern immer noch in den Versuchen, die ausschlaggebende Rolle der von ihnen erlebten Epoche fьr den Fortschritt des Menschengeschlechts zu betonen. Wдhrend hierbei die Vдter des Christentums zu Beginn seiner Verbreitung ehrlich bestrebt waren, die Welt ьber die Entwicklung des Menschen zu vervollkommnen, glauben die heutigen Theoretiker fest, es sei unter ihrer Wьrde und entspreche nicht ihrer Berufung, jene ursprьngliche Weltordnung umzubilden, die von Gott in jeder sterblichen Seele geschaffen wurde. Lediglich die MaЯstдbe der materiellen "civitas terrestris" insgesamt werden von ihnen als adдquates Objekt fьr solch erhabene Bestrebungen angesehen. Und schon mehr als zweihundert Jahre steht die Menschheit in Leiden jede neue Welle dieser Reformationsbestrebungen durch. Mitte des 18. Jahrhunderts. Europa tritt in die Epoche der Ratio ein, nachdem eine der wohl verhдngnisvollsten Etappen in seiner Geschichte vorьber war. Vorbei war das spдte Mittelalter mit seinen schroffen Widersprьchen, als die Europдer in Kolonialkriegen auf anderen Kontinenten umkamen und sich gegenseitig in religiцsem Widerstreit vernichteten, der Heilige Stuhl die Kьnste fцrderte und eine Inquisition ohnegleichen segnete und der wirtschaftliche Fortschritt in den protestantischen Lдndern kaum merklicher war als die Krise der groЯen europдischen Monarchien. Unter diesen Bedingungen nahm das Streben, die bestehende Ordnung zu rationalisieren, gerechtere soziale Beziehungen herzustellen, die Mцglichkeiten von Wissenschaft und Kunst vollstдndig zu realisieren und die Besserung der Menschheit ьber das hinaus, was sie erreicht hatte, zu verbessern, nahm solche MaЯstдbe an, wie vorher in der Weltgeschichte nicht beobachtet worden war. Das Anbrechen einer neuen Epoche schien absolut unausweichlich, und solche Gedanken wurden nicht von einzelnen Geistesschaffenden oder einer kleinen Gruppe von Verschwцrern ausgesprochen, sondern diese Meinung vertraten viele. Philosophen und Historiker, Wirtschaftswissenschaftler und Politiker waren davon ьberzeugt, daЯ eine Erneuerung notwendig sei, und wurden von den Herrschern wohlwollend angehцrt. Verschiedentlich wurden sie dem Thron nдhergebracht, einige wurden selbst zur Verkцrperung der Macht, die Mehrzahl wurde von den Monarchen aller Erdteile favorisiert. Was verkьndeten diese Leute, worauf bauten sie ihre Theorien auf? In der Meinung, die Verbreitung der Ratio, worunter meist die Entwicklung der Wissenschaft, Kunst und Technik verstanden wurde, habe derartige Hцhen erreicht, daЯ der Weg zur Errichtung einer gerechten Weltordnung schon offen sei, haben die Ideologen der Aufklдrung ihrer Ьberzeugung Ausdruck verliehen, daЯ alle vorausgegangenen Epochen — die Perioden der Herausbildung gesellschaftlicher Wirtschaftstдtigkeit, wie sie von A. Ferguson und A. Smith beschrieben wurden, oder die Etappen der Evolution des menschlichen Verstandes in der Darlegung von J.-A. de Condorcet — nunmehr der Vergangenheit angehцrten und den Weg fьr eine wirklich neue Zivilisation erцffneten. Was ist dafьr notwendig? Die Antwort liegt auf der Hand: Es gilt, endgьltig die formale Ungleichheit abzuschaffen und die Ketten der Unfreiheit abzustreifen, so daЯ sich der menschliche Geist aufschwingen kann, den Raum fьr die Entwicklung der Industrie, Wissenschaft und Kunst zu schaffen und den Menschen jene gleichen Rechte zu gewдhrleisten, die ihnen vom gцttlichen Willen zugesprochen wurden. Darin bestand im wesentlichen der Traum des Jahrhunderts, das auch heute noch als eine der erhabensten Seiten der europдischen Geschichte gewertet wird. Was ist zur Erreichung dieser Ziele notwendig? Auch hier herrschte relative Einhelligkeit: Alle Philosophen nahmen mit nur wenigen Ausnahmen an, daЯ der Wille der aufgeklдrten Monarchen, deren Zustimmung zu Reformen genьgten, um das Reich der Freiheit, Gleichheit und Brьderlichkeit im WeltmaЯstab schon in naher Zukunft und ganz ohne katastrophale Erschьtterungen zu errichten. Die von den Philosophen formulierten Ziele waren edel. Die Mittel fьr die sich ankьndigenden Wandlungen schienen klar zu sein. Aber die Herrscher wollten nicht die (heute naiv anmutenden) Worte von Gleichheit und Gerechtigkeit hцren. Freilich hцrten sie andere Leute, die mit der Erkenntnis von Elementen der neuen Anschauungen nicht vereinbaren konnten, daЯ sie nicht mehr den Triumph der neuen Gesellschaftsordnung erleben wьrden, der ebenso offensichtlich wie nahe schien. Das Ergebnis ist bekannt. Anstelle der langersehnten Gleichheit konnten die Revolutionдre nur mit blutigen Repressalien ьber das Volk herfallen. Der Bьrgerkrieg in Frankreich wurde von ununterbrochener gegenseitiger Ausrottung der Revolutionscliquen begleitet, die gemдЯ der verrufenen Tradition des Hobbesschen "Krieges aller gegen alle" vorgingen. Fast ьber dreiЯig Jahre war Europa in den Zustand eines nicht endenden Gemetzels versetzt worden. Was war das Ergebnis? In allen kriegfьhrenden Staaten verendeten hunderttausende Menschen, die Wirtschaftsprozesse liefen langsamer ab, die Aufgaben der Revolution blieben immer noch ungelцst. Die Revolutionдre verlangten eine aufgeklдrte Monarchie. Nun, sie erhielten Talleyrand und Fouchй um den Thron, die Turgot und Calonne ablцsten. Die Revolutionдre strebten nach wirtschaftlicher Freiheit und Entfaltung. Nun, 1815 befand sich Frankreich in einer beklagenswerteren Lage als 1789. Wurde die Idee von Freiheit, Gleichheit und Brьderlichkeit verwirklicht? Diese Begriffe waren nur noch auf Schildern und Mьnzen zu finden, und zu den notleidenden Bauernbezirken kam die Massenarmut des Fabrikproletariats in den Stдdten. Es sollte auf ein bezeichnendes Moment hingewiesen werden. Die europдischen Mдchte hatten einen Sieg ьber die Armeen des Usurpators errungen, die Dynastie hatte ihren Thron zurьckgewonnen, und Frankreich trat in die lдngste Friedensperiode seiner ganzen Geschichte ein. Der wirtschaftliche Aufschwung war schon zu Beginn der 20er Jahre zu verzeichnen, die Monarchie wurde 1848 beseitigt, und da weiterhin die Versuche von radikalen sozialen Experimenten unterbunden wurden, ist Frankreich heute eine der entwickeltsten postindustriellen Mдchte. Aber viele Franzosen vergцttern Napoleon, der ihrer Heimat nichts anderes brachte als Unglьck; nur wenige Historiker wьrden darauf verzichten, die Heilige Allianz nicht als reaktionдre Organisation zu definieren, die die Entwicklung der europдischen Staaten habe aufhalten wollen. Beides lдЯt ьber einiges nachdenken. Seit die Aufklдrer das Anbrechen der Дra des Verstandes ankьndigten, sind hundert Jahre vergangen. Die Ungleichheit hat sich inzwischen weiter zugespitzt, die Ausbeutung ist noch unertrдglicher geworden. Die ьberkommenen Adelsprivilegien sind durch die Herrschaft des Geldes abgelцst. Natьrlich hat dadurch die Idee von Gleichheit und Gerechtigkeit nichts von ihrer Popularitдt eingebьЯt. Neue Philosophen haben eine neue Idee hervorgebracht. Diesmal baut die Konzeption auf eine wirklich wissenschaftliche Betrachtung der Geschichte auf. Wie auch viele frьhere Theorien, aber wesentlich konsequenter und eingehender untersuchte sie den цkonomischen Fortschritt als die Grundlage fьr die Evolution des sozialen Organismus. Bei der Hinwendung zur Vergangenheit konnte eine Kindheitsperiode des Menschengeschlechts verzeichnet werden, die von цkonomischen GesetzmдЯigkeiten nicht berьhrt wurde, eine Epoche дuЯerst langsamer Entwicklung und дuЯerst schwacher sozialer Bindungen. Bei der Beurteilung der Gegenwart zeigte sie, wie und wann die erste Periode durch die Epoche der Vorherrschaft der Wirtschaftsbeziehungen abgelцst wurde, deckte ihr inneres Potential und den Mechanismus ihrer Eigenentwicklung, der eine progressive Bewegung in der Gesellschaft insgesamt gewдhrleistet, auf. Die Zukunft antizipierend, konnte die marxistische Theorie erstmals ьberzeugend die unumgдngliche Herausbildung einer Gesellschaft begrьnden, die deren Grьnder als kommunistisch bezeichneten, betrachtete diese Gesellschaft als dritte fundamentale Phase des sozialen Fortschritts und verwies darauf, daЯ der Ьbergang in das hypothetische "Reich der Freiheit" ohne eine radikale wirtschaftliche Umstrukturierung nicht mцglich ist, die sich unbedingt daraus ergibt, daЯ die Menschheit eine qualitativ neue Entwicklungsstufe der Produktivkrдfte erreicht hat. Dieses Bild war unumstritten ausgereifter als das der Aufklдrer, zeigte den realen Gang der geschichtlichen Entwicklung und ihre wahre Quelle. Wie sollte an sich die SchluЯfolgerung aus einer solchen Auffassung der Geschichte ausfallen? Der Zusammenbruch der Wirtschaftsgesellschaft ist ebenso unumgдnglich wie der von dieser Gesellschaft gewдhrleistete wirtschaftliche Fortschritt. Die Entwicklung der Produktivkrдfte ruft unumstцЯlich eine Reform der Produktionsverhдltnisse hervor, die die verletzte Ьbereinstimmung wieder herstellt, worauf die Herausbildung eines neuen, kommunistischen Systems einsetzen wird. Aber die Entwicklung der Produktivkrдfte geschieht nicht augenblicklich, sondern allmдhlich, wobei die gesellschaftliche Wirtschaftsformation schon die hцchste Entwicklungsstufe errreicht hat. Ist nun unbedingt eine rьcklдufige Entwicklung notwendig, wдre es nicht einfacher, auf radikale Weise die Grundlagen der Gesellschaftsordnung ohne Verzug abzuдndern? Im Ergebnis widersprachen praktische Hinweise der Marxisten fundamental ihren eigenen theoretischen Postulaten. Die Revolutionдre beschrieben die Herausbildung der gesellschaftlichen Wirtschaftsformation, die sich ьber nicht nur ein Jahrtausend erstreckte, und erachteten es trotzdem als mцglich, innerhalb von einigen wenigen Jahren grundlegende Дnderungen zu erreichen. Sie konstatierten, daЯ die zeitgenцssischen Produktionsmittel keine Mцglichkeit bieten, die kommunistischen Prinzipien von Produktion und Verteilung zu gewдhrleisten, und erklдrten, die Produktivkrдfte seien mit den Produktionsverhдltnissen in jenen antagonistischen Widerspruch geraten, den nur eine Revolution lцsen kцnne, wenn sie die bourgeoise Gesellschaft gewaltsam stьrze. Und obwohl sie schlieЯlich wuЯten, daЯ nie frьher eine der polaren Klassen der asiatischen, antiken oder feudalen Gesellschaft zur Herrschaft innerhalb einer neuen Gesellschaftsordnung gelangte, nannten die Grьnder des Marxismus ьberzeugt das Proletariat, die zwar am besten organisierte, aber Mitte des vergangenen Jahrhunderts auch am stдrksten verarmte und von einem Fortschritt am weitesten entfernte Klasse, die wichtigste Triebkraft bei den voraussichtlichen Umformungen. Selbst die Giftdosis, die es J.-A. de Condorcet ermцglichte, der Guillotine zu entgehen, scheint weniger seinen Ideen ьber den Sieg der Vernunft widersprochen zu haben, als die Theorie der proletarischen Revolution mit den humanistischen und wissenschaftlichen Grundlagen der marxistischen Lehre in MiЯklang stand. Aber ebenso wie die Aufrufe des "ami du peuple" von den philosophischen Bestrebungen eines Voltaire oder A. Shaftesbury weit entfernt waren, sind die Reden der Revolutionдre von Anfang des 20. Jahrhunderts von den fundamentalen Ideen der sozialen Evolution, die in der Theorie der Gesellschaftsformationen dargelegt sind, vцllig losgelцst. Jedoch brachte die Vereinfachung und Simplifikation der Theorie auch in diesem Fall Vorteile fьr ihre Verbreitung, wobei sich alles erneut wiederholte, faktisch auf die bekannte Weise, mit dem einzigen Unterschied, daЯ die Grenzen der Welt, die in den erneuten Widerstreit einbezogen wurde, sich vom Westteil des europдischen Kontinents auf den ganzen Erdball erstreckten. Die russische Revolution von 1917 zeigte, daЯ mit jedem neuen Jahrhundert soziales Experimentieren immer gefдhrlicher wird und das von den Revolutionдren proklamierte, Bestreben, das Menschengeschlecht glьcklich zu machen, in dem Moment einen AbschluЯ findet wie auch zu frьheren Zeiten: sobald sie an die Macht kommen. Wiederum kam es zum Bьrgerkrieg, und auch diesmal tobten Terror und Gewalt nicht nur gegen die realen Gegner des neuen Regimes, sondern auch gegen diejenigen, die nur vermutlich fehlende Loyalitдt diesem gegenьber hдtten zeigen kцnnen. Nach dem Sieg und der Festigung der eigenen Positionen nahmen die Revolutionдre den internen Kampf auf, wobei so viel Blut vergossen wurde, wie vielleicht fьr den Sieg der Weltrevolution erforderlich gewesen wдre. Die auf das дuЯerste zugespitzten Widersprьche zwischen dem neuen und dem traditionellen System bewirkten eine weitere weltweite Konfrontation und danach den Kalten Krieg, in dessen Verlauf das Bestreben der beiden sich polar gegenьberstehenden Blцcke, die eigenen Ziele zu erreichen, zu Konflikten auf allen Kontinenten fьhrte. Aber die Wirklichkeit des 20. Jahrhunderts machte einen militдrischen Sieg ьber den Ostblock unmцglich, und der Westen muЯte fast fьnfzig Jahre warten, bis der natьrliche Kollaps kam. Den entscheidenden Vorteil im Wirtschaftswettstreit mit den Ostblockstaaten erreichte der Westen dadurch, daЯ er ьber den Rahmen der industriellen Produktion hinausging; der Zusammenbruch des sogenannten Sozialismus wurde gerade zwischen der Mitte der 70er und dem Beginn der 90er Jahre offensichtlich, als endgьltig klar wurde, daЯ er nicht in der Lage war, postindustrielle Strukturen hervorzubringen und zu reproduzieren. Im Jahr 1989 wurde der ProzeЯ des Zerfalls des sowjetischen Systems durchaus erkennbar, und gegen Mitte der 90er Jahre hцrten die postsowjetischen Staaten im Grunde auf, als Faktor der Weltwirtschaft und Weltpolitik zu bestehen. Um den Preis von Millionen Menschenleben und eines unwahrscheinlicher Energieaufwands fьr die Perfektionierung und Entwicklung von Waffen, der die Annдherung an eine цkologische Katastrophe nach sich zog, vollbrachten die Krдfte, die aus der Sicht der bisherigen Logik als reaktionдr bezeichnet werden kцnnen, eine zweite weltweite Restauration; eine weitere revolutionдre Idee wurde ьberwunden und der natьrliche Gang der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung wiederhergestellt. Es sollte beachtet werden, daЯ die neue Restauration eine ernsthafte Verдnderung des Verhдltnisses der Menschheit zu revolutionдren Doktrinen ergab. Der militдrische und wirtschaftliche ZusammenschluЯ der westlichen Lдnder, der ein halbes Jahrhundert lang eine effektive Barriere gegen die Verbreitung des sozialistischen Entwicklungsmodells ьberall auf unserem Planeten darstellte, wird heute nicht mit der Heiligen Allianz verglichen, obwohl er eine beinahe identische Rolle in der Geschichte spielte. Das schrдnkt nicht die Bedeutung des Nordatlantikpakts oder anderer politischer Vereinigungen westlicher Staaten ein, im Gegenteil kann hiermit rationeller auf die vergangenen historischen Transformationen eingegangen werden. Die franzцsische Revolution und die auf diese folgenden Ereignisse einerseits und die russische Revolution und die weltweite politische Spaltung im 20. Jahrhundert andererseits haben recht viel Дhnlichkeit. In beiden Fдllen war der Beginn fьr die revolutionдren Prozesse durch neue soziale Doktrinen bedingt, was bedentete, daЯ zu einem bestimmten Zeitpunkt die Untersuchung der Gesellschaft zum Instrument ihrer Modernisierung wird und die Aufgabe einer echten wissenschaftlichen Analyse sehr wohl durch das Streben nach einer Verдnderung der Gesellschaft im Interesse bestimmter sozialer Gruppen ersetzt werden kann. In beiden Fдllen fцrderte der revolutionдre ProzeЯ Leute an das Tageslicht, die nur ein geringes Verstдndnis dafьr aufbrachten, welche grundlegenden Wesenszьge in der von ihnen angenommenen Doktrin verborgen waren, und danach strebten, lediglich die betreffenden Losungen im Kampf fьr die eigenen Ziele und Interessen auszunutzen. In beiden Fдllen fьhrte der erfolgreiche politische Umsturz zu einer gigantischen Welle der Gewalt, die sich sowohl nach auЯen als auch in das revolutionдre Lager selbst richtete, zum Ausscheren eines Landes oder von Lдndern aus der normalen evolutionдren Entwicklung und zur Konfrontation mit der ьbrigen Welt, schlieЯlich zur ruhmlosen Beendigung des Experiments, wobei das Wirtschaftswachstum der hiervon betroffenen Vцlker im Rinnstein endete. Sind aber die Ideale der Freiheit, Gleichheit und Brьderlichkeit, die Idee einer "Дra des Verstandes" nach 1815 weniger anziehend geworden? Ist die Vorstellung von einer zukьnftigen Gesellschaft als frei von Standes- und Klassenunterschieden weniger anstrebbar geworden, weil die besten Vertreter des Adels sich gegenseitig umgebracht hatten und die schlimmsten sich dem Thron nдherten? Doch wohl nicht. Kцnnen die Ideen des Kommunismus ausgehend von ihrem positiven Aspekt als vollstдndig bankrott angesehen werden? Wie kann aus der Sicht der gegenwдrtigen Erfahrung davon gesprochen werden, daЯ die Konzeption einer neuen, auЯerhalb einer Wirtschftsformation zu suchenden Gesellschaft als hinfдllig angesehen werden muЯ? Das stimmt nicht, und aus diesem Grund muЯ man sich ьber die globale Lehre Gedanken machen, die der Menschheit mit den beiden grandiosesten revolutionдren Bewegungen der letzen Jahrhunderte erteilt wurde. Beide Revolutionen waren von dem Bestreben diktiert, eine gerechtere Gesellschaftsordnung aufzubauen. Weder das Hдufchen Revolutionдre 1789 noch eine Gruppe politischer Emigranten 1917 hдtte zur Macht kommen kцnnen, wenn sie nicht sehr geschickt den Wunsch des Volkes nach Verдnderung der bestehenden Verhдltnisse ausgenutzt hдtten. Im ersten Fall ging es um die Herausbildung der Grundlagen einer Gesellschaft, die die Freiheit des Unternehmertums und der Entwicklung kapitalistischer Tendenzen implizierte, im zweiteren um ein Sozium, das frei von jeglicher Unterdrьckung und nicht wirtschaftlicher Natur ist. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts vereinigten sich gegen das revolutionдre und fortschrittliche Frankreich das monarchistische England und das feudale PreuЯen. Aber vermittelten nicht eben diese "reaktionдren" Lдnder schon nach einigen Jahrzehnten Frankreich fьr dieses Land so nьtzliche Erfahrungen bei der Entwicklung des Kapitalismus, den die franzцsischen Revolutionдre in beschleunigtem Tempo aufzubauen versucht hatten? Hat vielleicht der heutige Westen die UdSSR im цkonomischen Wettstreit nicht durch die Errichtung einer postцkonomischen Gesellschaft besiegt, welche die Kommunisten ьber Jahrzehnte rein verbal aufbauten? Die wichtigste Lehre, die sich die Menschheit aus den Wirren der letzten Jahrhunderte aneignen mьЯte, hat zum Inhalt, daЯ ein realer Fortschritt nur durch eine Evolution zu erreichen ist und ein kьnstliches Vorantreiben der Prozesse, die eine gдnzlich objektive Dynamik und eigene innere GesetzmдЯigkeiten aufweisen, nur dazu fьhren kann, die innere Entwicklungslogik der Zivilisation grьndlich zu stцren. Wдhrend eine solche Sicht auf die franzцsische Revolution auch heute noch nicht endgьltig an den Tag gelegt wird, wo zweihundert Jahre verstrichen sind, haben sich die Illusionen hinsichtlich des Charakters der russischen Revolution schon frьher aufgelцst, noch bevor das kommunistische Experiment zu Ende war, und das gibt AnlaЯ zu groЯer Hoffnung. Am Ende des 20. Jahrhunderts beginnt die Menschheit zu begreifen, welche Gefahr und Unterwanderung durch radikale revolutionдre Sprьnge heraufbeschworen werden kann; eine verschwommene, doch immer deutlichere Erkenntnis setzte sich durch, daЯ die evolutionдre Entwicklung das Unterpfand des konsequentesten sozialen Fortschritts darstellt. Heute jedoch, da die Lдnder der freien Welt erst beginnen, in vollem MaЯ die Ergebnisse des Sieges im globalen Wettstreit zu empfinden, wird der Ruf nach einer Revolution immer цfter laut, mehr als es je frьher der Fall war. Ist das vielleicht der Wunschtraum unserer Epoche und spiegelt sich nicht in einer solchen Einstellung der bestдndige Wunsch nach dem Reformieren der Gesellschaft wider, vorausgesetzt, daЯ sie allgemein als eine gewisse Ьbergangsordnung verstanden wird? Natьrlich wird eine solche Auslegung heute von vornherein verworfen, sind doch alle der Ьberzeugung, daЯ die heutige Revolution, hдngt sie nun mit der Technologie oder Informatik zusammen, weder analog zum proletarischen Aufstand noch das Vorspiel zu Дhnlichem, geschweige denn damit zu vergleichen sei. Es sollte aber nicht vergessen werden, daЯ die gigantischen sozialen Unruhen der Vergangenheit nicht nur durch Traumvorstellungen von politischen Philosophen, sondern auch durch tiefgreifende Umwдlzungen in Technologie und Wirtschaft bedingt waren. Ist nicht die Verdrдngung des Handwerks durch die Manufakturproduktion schuld an den Erschьtterungen von Ende des 18./Mitte des 19. Jahrhunderts? Haben nicht die Widersprьche des Fabriksystems zu Beginn des nдchsten Jahrhunderts die proletarischen Bewegungen bedingt? Nach unserer Meinung trьben die Wissenschaftler, die das Eintreten in eine postindustrielle, technotrone und Informationsgesellschaft ankьndigen, mit solchen Definitionen nur das BewuЯtsein der Leser und sehen von der offensichtlichen Tatsache ab, daЯ die Feudalordnung nicht als Gesellschaft von Hakenpflug und Hammer angesehen werden kann, wie auch die kapitalistische nicht als Sozium der Dampfmaschine und des Verbrennungsmotors zu bezeichnen ist. Weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft kann die Gesellschaft ohne eine Hinwendung zu ihren inneren, ausgesprochen sozialen Verflechtungen und Beziehungen adдquat definiert werden. Fьr eine echte Erkenntnis der Entwicklungsrichtung ist selbst die umfassendste und ausfьhrlichste Beschreibung der Grundlagen des technologischen Fortschritts nicht ausreichend. Auch die heute verkьndete Revolution in der Informatik wird gerade als hauptsдchliche Folgen soziale Verдnderungen nach sich ziehen, deren AusmaЯe und Widersprьche mцglicherweise nicht geringer sein werden als die AusmaЯe und Widersprьche von Ereignissen, an denen vor uns lebende Generationen Anteil hatten. Optimisten mцgen die Meinung vertreten, daЯ derzeit keine Bedingungen vorliegen, die fьr radikale soziale Transformationen der Vergangenheit gьnstig waren. Es gibt heute keine revolutionдre Klasse, die unter der Last einer unertrдglichen Ausbeutung leiden und nur auf ein Signal warten wьrde, die Grundfesten der herrschenden Ordnung zu erschьttern. Heute gibt es keine in der Gesellschaft einigermaЯen verbreitete Theorie, die eine entsprechende revolutionдre Verдnderung auf ihre Fahnen geschrieben hдtte. Heute gibt es schlieЯlich keine der frьheren Widersprьche, die eine Volksbewegung zum Sturz einer Unrechtsordnung zur Folge haben kцnnten. All das ist richtig. Aber die Anhдnger дhnlicher Behauptungen lassen einen wichtigen Umstand auЯer acht, der in den letzten Jahrzehnten immer stдrker in Erscheinung tritt. Der Rьckgang von Massenerscheinungen im Sozium, die einerseits nur durch Ausbreitung von individueller und Kleinserienproduktion und andererseits durch Modernisierung der modernen Konsumtion begrenzt werden, ist in Wirklichkeit hauptsдchlich auf kardinale Verдnderungen im menschlichen BewuЯtsein, auf die Motivierung von Tдtigkeit und Verhalten zurьckzufьhren. Vor einem solchen Hintergrund werden Rolle und Bedeutung der gegenwдrtigen technologischen Revolution ernsthaft modifiziert. Sie bringt zwar nicht eine Klasse hervor, die in der Lage ist, fьr den Sturz der existierenden Gesellschaftsordnung zu kдmpfen, dennoch weckt sie in jedem Menschen Bestrebungen, die den Wesensmerkmalen der wirtschaftlich ausgerichteten Epoche schroff widersprechen. Sie formuliert zwar keine neue Theorie oder Ideologie, dennoch werden im BewuЯtsein der Menschen neue Wertbegriffe erzeugt, die die Struktur der Tдtigkeitsmotive stдrker beeinflussen als die Jahrzehnte kommunistischer Propaganda. Die in unserer Zeit ablaufenden Verдnderungen beseitigen schlieЯlich die ьberkommenen Widersprьche und bringen unweigerlich neue hervor: nicht zwischen Klassen, sondern unter einzelnen Individuen. Wir sind Zeugen einer gewissen gesellschaftlichen Desintegration, deren Potential nicht dadurch verringert wird, daЯ sie in einer fьr einen oberflдchlichen Betrachter nicht zu erkennenden Form ablдuft. In seiner "Positiven Philosophie" schrieb A. Comte, daЯ die Soziologie als Wissenschaft ьber die Gesellschaft zu den kompliziertesten in der Reihe gehцrt, zu der er die Systeme der menschlichen Kenntnisse ьber die Welt ordnete. Spдter revidierte er seinen Standpunkt und wies vцllig berechtigt darauf hin, daЯ die Psychologie als eine Wissenschaft vom Menschen selbst, seinen Gefьhlen und Emotionen, Handlungen und Taten noch komplizierter ist. Heute treten wir aus einer Gesellschaft, deren hauptsдchliche Gesetze im soziologischen Koordinatensystem liegen, in ein Sozium ein, in dem ausgesprochen individuelle und psychologische Verhдltnisse und Beziehungen vorherrschen. Selbstverstдndlich ist dieser neue Zustand komplizierter, was sich nicht nur auf das Objekt der Erkenntnis, sondern auch auf das Steuerobjekt bezieht. Um ein vollstдndigeres Bild zu zeigen, wollen wir kurz auf schon untersuchte Probleme zurьckkommen. Die Utopisten, die von einer gerechten Gesellschaft ohne Geld und Markt trдumten, nahmen als Bedingung fьr deren Errichtung eine fak tische Rьckkehr der gesamten Bevцlkerung in die Sklaverei an. Die Marxisten, die bestrebt waren, die marktwirtschaftlichen Gesetze zu ьberwinden, arbeiteten ьber Jahrzehnte an einem System planmдЯiger Produktion und Verteilung der Produkte. Die Ergebnisse liegen vor: Die utopischen Illusionen blieben illusionдr, und ihre liberalen Varianten gingen zusammen mit dem Bankrott des Systems des gerechten Austauschs von R. Owen zu Bruch; die sozialistische Planwirtschaft existierte etwas lдnger, so daЯ auch die Folgen ihres Untergangs grцЯere Auswirkungen hatten und destruktiver waren. Heute wird der Tauschwert aktiv ьberwunden, weil die Mцglichkeit des Wertkalkьls selbst verlorengeht, die materielle Produktion ihre grundlegende Rolle einbьЯt und die Produktion von Informationen und Kenntnissen dominiert wird, die vor allem aus der Sicht ihres gesellschaftlichen Nutzens bewertet werden. Am wichtigsten wird fьr diesen ProzeЯ die Дnderung der eigentlichen Natur der menschlichen Tдtigkeit selbst, die Verbreitung einer ьber das Utilitдtsprinzip hinausgehenden Motivierung, die Ьberwindung der Arbeit und deren Ersetzen durch eine schцpferische Tдtigkeit. Die Anhдnger der Theorie von Ch. Fourier waren bestrebt, in der Phalanstиre selbst die unwichtigsten Gegenstдnde des Hausrats zu vergesellschaften, nur um sich von dem ihnen verhaЯten Begriff des Privateigentums zu befreien. In den Lдndern Osteuropas versuchten die Kommunisten nur ab und zu, in der Praxis ein solches Ideal zu erreichen, konnten jedoch ein Wirtschaftssystem ohnegleichen schaffen, in dem der Staat ьber alle Produktionsmittel verfьgte und sie im Interesse der regierenden Bьrokratie nutzte. Die Schцpfer der tiefgreifendsten und originalsten Geschichtstheorien konnten kaum annehmen, daЯ die wirtschaftliche Bedeutung des Privateigentums nicht ьber eine |